Was ist Insiderhandel?
Insiderhandel bezeichnet die rechtswidrige Nutzung privilegierter Informationen zum Handel mit Wertpapieren. Dabei gibt es drei Hauptelemente:
Privilegierte Informationen:Dies bezieht sich auf präzise, nicht-öffentliche, marktsensitive Informationen. Werden sie öffentlich, können sie den Kurs eines Wertpapiers erheblich beeinflussen. Beispiele hierfür sind Fusionspläne, Finanzergebnisse, regulatorische Neuerungen oder Führungswechsel. Die Informationen gelten als „privilegiert“, da sie den Besitzern einen erheblichen Vorteil verschaffen.
Insider:Ein Insider ist jede Person mit Zugang zu privilegierten Informationen. Dazu zählen Direktoren, Vorstandsmitglieder und Großaktionäre ebenso wie Angestellte, Berater und persönliche Kontakte. Der Insiderstatus hängt oft von den Umständen ab, unter denen die Informationen erlangt wurden.
Handel basierend auf privilegierten Informationen:Die Straftat liegt vor, wenn Insider diese Informationen nutzen, um Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen, bevor die Öffentlichkeit davon erfährt, und sich dadurch unfaire Vorteile verschaffen. Auch das Weitergeben von „Tipps“ kann als Insiderhandel gelten. Der Umfang der Transaktion spielt keine Rolle – entscheidend ist der Missbrauch nicht-öffentlicher Informationen.
Formen des Insiderhandels
„Front Running“: Kundenaufträge vorwegnehmen
Diese unfaire Praxis umfasst Broker oder Händler, die ihr Wissen über Kundenaufträge nutzen, um vor der Ausführung dieser Aufträge zu ihren eigenen Gunsten zu handeln. Indem sie Kursbewegungen antizipieren, profitieren sie auf Kosten ihrer Kunden.
Beispiel: Citadel Securities (2020)Im Jahr 2020 verhängte die FINRA eine Geldstrafe von 700.000 US-Dollar gegen Citadel Securities wegen Front Running zwischen 2012 und 2014. Händler von Citadel führten manuell große Kundenaufträge aus und handelten gleichzeitig auf eigene Rechnung. Diese Praxis führte zu Interessenkonflikten, da Kundenaufträge oft zurückgestellt wurden.
„Scalping“: Künstliche Nachfrage erzeugen
Scalping tritt auf, wenn ein Insider ein Wertpapier, in das er bereits investiert hat, bewirbt, um durch künstliches Interesse den Kurs zu steigern. Sobald der Kurs steigt, verkauft er seine Anteile mit Gewinn und täuscht oft seine Anhänger.
Beispiel: Forster Winans (1985)Forster Winans, ein Journalist des Wall Street Journal, informierte Broker im Voraus über seine Artikel zum Aktienmarkt. Die daraus resultierenden Kursbewegungen ermöglichten den Brokern Gewinne, wobei Winans eine Beteiligung erhielt. Er wurde wegen Betrugs und Diebstahls verurteilt und verbüßte eine 9-monatige Haftstrafe.
„Reverse Insider Trading“: Verluste vermeiden
Hierbei nutzen Insider privilegierte Informationen, um Verluste zu minimieren, etwa durch den Verkauf von Aktien, bevor schlechte Nachrichten öffentlich werden. Selbst ohne Gewinnmotiv gilt dies als Marktmissbrauch.
Beispiel: Martha Stewart (2003)Martha Stewart verkaufte Aktien von ImClone Systems im Wert von fast 230.000 US-Dollar, bevor schlechte Nachrichten den Kurs einbrechen ließen. Obwohl ihre Gewinne bescheiden waren, wurde sie wegen Justizbehinderung verurteilt und verbüßte eine 5-monatige Haftstrafe.
„Daisy Chains“: Kaskadierende Insider-Netzwerke
Daisy Chains bezeichnen die Verbreitung privilegierter Informationen durch ein Netzwerk von Personen. Jede Person nutzt die Informationen, um vorteilhaft zu handeln, was diese Fälle schwer nachvollziehbar macht.
Beispiel: Poughkeepsie-Hospitalnetzwerk (2023)Im Jahr 2023 nutzte eine Gruppe von Ärzten und deren Kontakte Insiderwissen über eine Pharma-Übernahme, um 4 Millionen US-Dollar Gewinn zu erzielen. Die Kette umfasste über 11 Personen, und 2024 wurden Urteile gegen die Hauptbeteiligten verhängt.
Welche Sanktionen drohen einem Insiderhändler?
Vereinigte StaatenEinstufung: Straftat ("Felony")Strafrechtliche Sanktionen: Bis zu 20 Jahre Freiheitsstrafe für EinzelpersonenFinanzielle und administrative Sanktionen:
Rückerstattung illegal erzielter Gewinne
Geldstrafen: Bis zu 5 Millionen US-Dollar für Einzelpersonen, 25 Millionen US-Dollar für Unternehmen
Verbot, Managementpositionen zu bekleiden
FrankreichEinstufung: Straftat, VerwaltungsverstoßStrafrechtliche Sanktionen: Bis zu 5 Jahre FreiheitsstrafeFinanzielle und administrative Sanktionen:
Vereinigtes KönigreichEinstufung: Straftat ("Criminal offence"), VerwaltungsverstoßStrafrechtliche Sanktionen: Bis zu 7 Jahre Freiheitsstrafe
DeutschlandEinstufung: Straftat ("Straftat"), VerwaltungsverstoßStrafrechtliche Sanktionen: Bis zu 5 Jahre FreiheitsstrafeFinanzielle und administrative Sanktionen:
Die Ansätze zum Insiderhandel unterscheiden sich deutlich zwischen den Vereinigten Staaten und Europa, was die unterschiedlichen Rechtstraditionen widerspiegelt.
Der amerikanische Ansatz ist subjektiv und konzentriert sich auf die Beziehung zwischen dem Insider und der Quelle der Informationen. Er basiert auf dem Konzept eines „Verstoßes gegen die Treuepflicht“ („breach of fiduciary duty“), was die Verletzung einer Loyalitäts- und Vertraulichkeitspflicht bedeutet. Ein Verbrechen wird als gegeben angesehen, wenn jemand vertrauliche Informationen unter Verletzung dieser Pflicht nutzt, was aus einer spezifischen Beziehung, wie zwischen einem Manager und einem Aktionär oder einem Anwalt und einem Mandanten, oder aus Umständen resultieren kann, die eine Vertrauensbasis schaffen.
Im Gegensatz dazu ist der europäische Ansatz objektiver und dreht sich um den Besitz und die Nutzung privilegierter Informationen selbst. In diesem Rahmen stellt bereits der Besitz und die Nutzung solcher Informationen für eine Transaktion eine Straftat dar, unabhängig davon, wie sie erlangt wurden oder ob eine Vertraulichkeitspflicht besteht. Der Fehler liegt im ungleichen Informationsvorteil, da der gleichberechtigte Zugang zu Informationen ein fundamentales Prinzip ist.
Betrifft Insiderhandel auch Kryptowährungen?
Ja, Kryptowährungen sind stark anfällig für Insiderhandel, wie der hochkarätige Fall Coinbase zeigt. Im April 2022 klagte das US-Justizministerium drei Personen an, darunter Ishan Wahi, einen ehemaligen Produktmanager von Coinbase, wegen Insiderhandel im Zusammenhang mit Token-Listings.
Wahi, der im Listings-Team von Coinbase arbeitete, informierte seinen Bruder und einen Freund 14-mal über bevorstehende Krypto-Listings. Sie kauften diese Token auf anderen Plattformen vor den öffentlichen Ankündigungen und verkauften sie mit Gewinn, sobald die Listings live gingen. Der Ruf und die Marktgröße von Coinbase sorgten dafür, dass jeder Token, der auf der Plattform gelistet wurde, einen starken und sofortigen Preisanstieg erlebte. Zwischen Juni 2021 und April 2022 erzielte das System über 1,5 Millionen US-Dollar an Gewinnen. Im Mai 2023 bekannte sich Wahi schuldig und wurde zu 2 Jahren Haft verurteilt.
Seit diesem Fall haben verantwortungsbewusste Börsen wie Bitpanda ihre internen Kontrollen verschärft, um sensible Informationen besser zu schützen. Bitpanda hat dafür strenge Protokolle eingeführt, die den Zugang von Mitarbeitenden zu vertraulichen Daten klar einschränken.